UTE LEMPER
1TP5Pompe-Kritik: Der Riss in der StimmeDie deutsche Sängerin Ute Lemper wurde in der zweiten Hälfte der 1980er und in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zu einem Weltstar. Damals wurde ich auf sie aufmerksam, vor allem, weil Agenten schnell erkannten, dass man ihre "Zwischenposition", ihre Flexibilität vermarkten konnte, dass sie sich schnell zwischen den Genres bewegen konnte, dass sie mit leichterer Musik (Pop, Musical) beeindrucken konnte, dass sie sich aber auch mit ihrer Ausdruckskraft schnell an die Musik der neuen Wirklichkeit herantasten konnte, d.h. vor allem an Weills Lieder, das Chanson, dass sie nicht nur Sängerin, Tänzerin, Theaterdarstellerin war, sondern auch eine feinsinnige Vorleserin/Erzählerin.
Irgendwie habe ich das bei den Platten, die ich damals gekauft habe, nicht wirklich gespürt - es gab zwar eine typische Fähigkeit, die Stimme zu färben, aber sie war immer recht dosiert, so dass die Ausdruckskraft zurückhaltend war, nie übermäßig hervorstechend, und die Stimme schien sogar in ihren Grundveranlagungen unauffällig zu sein. Ich war daher überzeugt, dass der Charme der Sängerin in ihrer Bühnenausstrahlung lag, in einer Art Vermählung von Körper und Stimme.
[…]
Die deutsche Sängerin Ute Lemper wurde in der zweiten Hälfte der 1980er und in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zum Weltstar (Foto: Festival Ljubljana)
All dies konnte beim diesjährigen Konzert auf dem Ljubljana Festival (es war nicht das erste Mal, dass Ute Lemper nach Ljubljana kam) überprüft werden, aber der Abdruck hinterließ dieses Mal ein anderes Gefühl als die vor drei Jahrzehnten aufgenommenen Platten. Der Riss in Ute Lempers Stimme ist jetzt allerdings deutlich größer. Konnte man letzteres in den 1990er Jahren noch als eine Verschiebung hin zum Ausdruck, eine Tendenz zum rein Menschlichen verstehen, so kann man die ausgeprägte Farbverschiebung zwischen den Registern jetzt schon als eine Ermüdung der Stimme, ja als ein weniger liebenswertes akzentuiertes Vibrato verstehen. In den mittleren Lagen, in den engen Ambitus, kann ihre Stimme noch attraktiv, gehaltvoll, sinnlich-emotional im Grund klingen, aber sobald sie sich zu den höheren Lagen und auch zu dramatischem Überschwang öffnet - und dorthin will die Sängerpersönlichkeit oft gelangen - wird sie zu kratzig und heiser angezogen. Natürlich kann eine solche Registerverschiebung auch als hochinterpretative Note, als Rebellion, als Gesellschaftskritik, als eine Art kabarettistische Pose gedeutet werden, und die Sängerin hat mit ihrem Fahrplan, vor allem im ersten Teil, versucht, genau diesen Inhalt zu bespielen. Gerade darin, in der ungezwungenen Verknüpfung der einzelnen Songs, in denen sie Einblicke in die Zeit der Weimarer Republik und zum Teil auch des Broadway eröffnete, erwies sie sich als am stärksten, konnte sie den aktuellen Augenblick mit den schwierigen Erfahrungen der Vergangenheit verbinden. Doch mit der Zeit, wenn Weill neben Ebb, Piazzolla und Brel stand - immerhin ganz unterschiedliche Komponisten -, klangen die Interpretationen allzu ähnlich und waren von den grundsätzlichen Eigenheiten und der Kondition der Stimme der Sängerin abhängig. Ute Lemper verwöhnte zwar das Publikum - insgesamt dauerte das Konzert fast drei Stunden -, aber vielleicht hätte ein kürzeres Programm, vor allem mit dem Schwerpunkt Weill, wo die stimmlichen Unreinheiten geschickt instrumentalisiert werden können, noch mehr vokal-musikalischen Genuss gebracht.
Begleitet wurde der Sänger vom Slowenischen Jugendorchester, das keine beneidenswerte Aufgabe hatte - es trat selten in den Vordergrund, sondern musste geduldig auf seine Einsätze und rhythmische Präzision warten. Er präsentierte sich mit Bernsteins Three Dance Episodes aus dem Musical On the Town, bei denen Živa Ploj Peršuhs Taktstock vielleicht sommerlichere Tempi hätte vorgeben können. Ein weiteres Problem war die Tonanlage, die wie üblich mehr Probleme im Orchesterklang offenbarte, als das Ohr sonst wahrgenommen hätte. Ansonsten war die Begleitung meist solide, aber in den Anfangstempi zuweilen wackelig. x
***
MUSIK
Ute Lemper (Gesang), Slowenisches Jugendorchester, Živa Ploj Peršuh (Dirigent)
Festival Ljubljana, Ljubljana, Križanke
3/5
***
Gerade darin, in der ungezwungenen Einbindung der einzelnen Songs, in denen sie einen Blick in die Zeit der Weimarer Republik und teilweise auch des Broadways eröffnete, erwies sie sich als die Stärkste, die den aktuellen Augenblick mit den schwierigen Erfahrungen der Vergangenheit zu verbinden vermochte.
***
Begleitet wurde die Sängerin vom slowenischen Jugendorchester, das keine beneidenswerte Aufgabe hatte - es trat nur selten in den Vordergrund, sondern musste geduldig auf seine Einsätze und rhythmische Präzision warten.
Medium: Dnevnik.si
Die Autoren.
Datum: 29. August 2023
Link:1TP5Kritik Pompe: Riss in der Stimme